DONAU. FLUSSGESCHICHTEN - Neue Familienausstellung

(Pressetext des Donauschwäbischen Zentralmuseums Ulm)
 

„Seht mich an, sagt die Donau. Groß bin ich, schön und weise. Niemanden in Europa gibt es, der mir das Wasser reichen könnte.“ So beschreibt der ungarische Schriftsteller György Konrád den großen europäischen Strom. Die vollständig neu gestaltete Erlebnisausstellung „Donau. Flussgeschichten“ ergänzt das Angebot des DZM neben der aktualisierten Ausstellung zu den Donauschwaben um eine zweite Attraktion. In den Blick genommen wird der gesamte Verlauf der Donau von der Quelle im Schwarzwald bis zur Mündung in das Schwarze Meer. Mit Objekten, Fotografien, Filmen und Illustrationen erzählt die Ausstellung 22 spannende Geschichten vom Leben und den Menschen an der Donau.

Die Donau ist der einzige große Fluss in Europa, der von West nach Ost fließt und der mit fast 3.000 Kilometer Länge seit jeher zu den wichtigsten Handelswasserstraßen, zugleich aber auch zu einem nur wenig bekannten Kulturraum gehört. Mehr Länder als jeder andere Strom dieser Erde berührt die Donau in ihrem Lauf. Die Ufer des Flusses säumen Krönungsstädte, historische Burgen und Festungen, Häfen, waldreiche Landschaften, Schluchten und Felsformationen.

Vom Schwarzwald durch die Donaustadt Ulm und die Donaumetropole Wien weiter zu den Hauptstädten der Slowakei, Ungarns und Serbiens – Bratislava, Budapest und Belgrad –, durch Landschaften wie die liebliche Wachau, vorbei am serbischen Novi Sad bahnt sich der Strom seinen Lauf am Eisernen Tor durch die Karpaten in die walachische Tiefebene Rumäniens und mündet schließlich im Schwarzen Meer in der Grenzregion zur Ukraine. Den Donauraum prägen seit jeher Wanderungsbewegungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft. So entsteht in dieser europäischen Großregion entlang des Stroms eine einzigartige kulturelle Vielfalt. Im Einzugsbereich der Donau leben heute 112 Millionen Menschen. Von einigen dieser Menschen erzählt die neue Ausstellung „Donau. Flussgeschichten“.

Donausaurier, Mythen und Flussgötter
Besucherinnen und Besucher des DZM Ulm begegnen einem sagenumwobenen „Donausaurier“, dem größten ehemals in der Donau lebenden Knochenfisch, dessen Nachfahren heute aufgrund von Überfischung stark gefährdet sind. Die Gäste erhalten Einblicke in Märchen und Sagen, die von den Geheimnissen der Donau, von Flussgeistern, Feen und versunkenen Inseln erzählen. Danubius ist bei den Römern nicht nur der Fluss selbst, sondern bezeichnet auch den Flussgott. Heute wird die Donau in den Landessprachen geschrieben: Dunaj in der Slowakei, Dunav in Bulgarien, Serbien und Kroatien, Dunărea in Rumänien, Duna in Ungarn und in der Ukraine.

Donau so blau / so schön und blau
„An 11 Tagen braun, an 46 Tagen lehmgelb, an 59 Tagen schmutziggrün, an 45 Tagen hellgrün, an 5 Tagen grasgrün, an 69 Tagen stahlgrün, an 46 Tagen smaragdgrün und an 64 Tagen dunkelgrün“, so beschrieb das Wiener Hydrographische Central-Bureau im Jahr 1903 die Farben der Donau. Der Donauwalzer, komponiert von Johann Strauß im Jahr 1867, prägt bis heute die romantische Vorstellung von der blauen Donau. Aber die Donau hat viele Farben. Sie verändern sich mit dem eigenen Standort, mit dem Licht, der Fließgeschwindigkeit oder dem mitgeführten Schwemmgut. Darüber hinaus gibt es dramatische Farbzuschreibungen, etwa wenn die rote Donau als Bild für Krieg oder für kommunistische Verbrechen steht.

Mord an der Donau
Immer wieder wurde die Donauregion Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Über Jahrhunderte werden Grenzen und Einflussgebiete an der Donau umkämpft und dadurch immer wieder verschoben. Bis ins 19. Jahrhundert stehen sich hier christliche Herrschaftsgebiete und das muslimische Reich der Osmanen feindlich gegenüber. Später war die Donau Grenzregion diesseits und jenseits des früheren Eisernen Vorhangs. Es gab über die Jahrhunderte auch immer wieder mysteriöse Todesfälle und politische Morde, die – als ein Angebot der Museumspädagogik – im Detektivspiel „Mord an der Donau“ aufgedeckt werden können.

Schachteln, Zillen, Donaudampfer
Die sogenannte Ulmer Schachtel ist neben dem Münster eines der Wahrzeichen Ulms. In Ulm hat der Schiffbau eine lange Tradition, denn die Donau ist ab hier schiffbar. Bis ins 16. Jahrhundert werden Menschen und Waren auf der Donau vorwiegend auf Schiffen ohne Kiel – den als Ulmer Schachteln bekannten Handelszillen – transportiert. Für die Auswanderer im 18. Jahrhundert war die Reise mit der „Ulmer Schachtel“ noch sehr beschwerlich. Erst mit der Gründung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft 1829 konnten Schiffe stromaufwärts fahren, wodurch auch Reisen auf der Donau möglich wurden. Ein Schiffsmodell der „Ulmer Schachtel“ veranschaulicht die Bauweise des flachen Flussschiffs und interaktive Mitmachstationen zeigen, wie schwierig und gefährlich der Transport der Ware war.

Fasching und Brauchtum an der Donau
In Mohács, einer südungarischen Stadt am rechten Donauufer, findet in jedem Frühjahr ein besonderer Faschingsbrauch statt: der Umzug der Buschos. Wilde Gestalten, die den Winter vertreiben, Mädchen in malerischen Trachten, temperamentvolle Musik, Duft von Gegrilltem: Jährlich zieht dieses Spektakel rund 100.000 Besucher an. Seinen Ursprung hat das Fest in der Kultur der Schokatzen, einer slawischen Minderheit in der Region. Ihr Brauch entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Stadtfest, an dem alle ethnischen Gruppen teilnehmen.

Ökologie und Naturräume
Österreich verfolgt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Ziel einer unabhängigen Energiewirtschaft. In die Donau werden deshalb Laufkraftwerke gebaut, die den Fluss über mehrere Kilometer aufstauen. Umweltschützer kritisieren, dass dies einen massiven Eingriff in die Natur bedeutet, und es regt sich Widerstand, durch den der Auwald bei Hainburg gerettet wird. Vielerorts ist die Wasserqualität schlecht und der Artenreichtum geht seit der Industrialisierung stetig zurück. 1994 unterzeichnen 14 Staaten und die Europäische Union ein Übereinkommen zur verträglicheren Nutzung des Flusses. Sie gründen die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD). Diese koordiniert seitdem über Ländergrenzen hinweg gemeinsame Schutzmaßnahmen für die Donau.

Das Drama von Kladovo
Mitte Dezember 1939 verlässt ein Expressdampfer den Hafen von Bratislava (Slowakei). An Bord sind über 1.000 Juden und Jüdinnen auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Ihr Ziel: Palästina. Doch in Jugoslawien dürfen sie die Grenze zu Rumänien nicht passieren. Auf Grund des Wintereinbruchs sitzen sie bis September 1940 im Hafen von Kladovo fest. Dann werden sie flussaufwärts nach Šabac transportiert. Dort erhalten rund 200 Juden – fast nur Jugendliche – Einreisepapiere für Palästina. Sie entkommen der deutschen Wehrmacht, die Jugoslawien im April 1941 besetzt. Alle anderen werden von den Besatzern ermordet.

Fluchtweg Donau
In den 1970er Jahren macht Diktator Nicolae Ceauşescu Rumänien zum Überwachungsstaat, der seine Bürger bespitzelt und unterdrückt. Das liberalere Nachbarland Jugoslawien erscheint vielen als Fluchtweg in den Westen. Die Donau bildet auf 225 Kilometern einen Teil der scharf bewachten Staatsgrenze. Obwohl Rumänien auf Flüchtlinge schießen lässt, versuchen Tausende den Fluss zu überqueren. Wie viele dabei sterben, ist unbekannt. Die meisten Toten spült die Donau ans jugoslawische Ufer. Sie werden dort auf Friedhöfen bestattet – meist als Unbekannte und ohne dass ihre Angehörigen davon erfahren.

Fotografie: Menschen am Fluss
Die Donau ist Mittelpunkt im Leben vieler Menschen. Sie prägt ihre Gedanken und Träume. Ihre schnellen Wasser liefern lebenswichtige Nahrung und Energie. Der Fotograf Christian Schmiedbauer reiste im Jahr 2000 mit seiner Kamera im Gepäck von der Donauquelle bis zum Delta. Er sprach mit Menschen entlang des Stroms und fragte sie, welche Beziehung sie zum Fluss haben. Schmiedbauer porträtierte sie und fotografierte auch die Wasseroberfläche vor Ort und füllte Donauwasser und Fundstücke in Flaschen. Zusammen mit den Schwarz-Weiß-Fotografien spiegeln sie die unterschiedlichen Gesichter des Flusses und der Menschen an seinen Ufern.

Kunst
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 endet eine über 40-jährige Trennung des Donauraums in Ost und West. Seither ist die Annäherung durch die Europäische Union politisch und wirtschaftlich weit vorangeschritten. Zudem versuchen Kulturprojekte, die Menschen über Sprach- und Ländergrenzen hinweg zusammenzubringen. Entlang der Donau sind in den letzten Jahrzehnten mehrere Kulturfestivals entstanden, die mit Musik-, Tanz-, Theater-, Film- oder Literaturveranstaltungen den interkulturellen Dialog fördern.

Das DZM hat im Rahmen von „Donau. Flussgeschichten“ ebenfalls eine künstlerische Intervention in die neue Ausstellung integriert. Für Vladimir Mitrev (geb. 1972 in Sofia/Bulgarien, Meisterschüler in der Universität der Künste, Berlin) spielt die Zeit eine entscheidende Rolle, um seine künstlerischen Ideen zu verwirklichen. Neben der malerischen Tätigkeit beschäftigt sich Mitrev mit Videoinstallationen, welche politische sowie historische Fragen stellen und ihm eine Vielzahl an Nominierungen einbrachten. Für das DZM nimmt Mitrev in seinen 12 Videoinstallation die Ufer und Städte der Donau in den Blick.

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